Vielfalt als zentraler Anspruch der Stadtentwicklung

28. November 2024 | Fiona Muller


Vielfalt als zentraler Anspruch der Stadtentwicklung

Anna Schindler ist seit 2011 Direktorin der Zürcher Stadtentwicklung. Wir sprachen mit ihr über eines der drängendsten Themen der Stadtzürcher Bevölkerung: den bezahlbaren Wohnraum in Zürich. 

Der Stadtrat fördert im Rahmen des wohnpolitischen Grundsatzartikels eine gute soziale Durchmischung in Zürich. Was bedeutet das konkret? Und welche Vorteile bieten aus Ihrer Sicht sozial durchmischte Städte?

Die Stadt betont im «Programm Wohnen» die Bedeutung einer guten sozialen Durchmischung in allen Quartieren. Das ist wichtig – in einem ersten Schritt sollte eine erfolgreiche soziale Vielfalt aber eher auf städtischer Ebene gefördert werden. Eine sozial vielfältige Stadt vereint Menschen aus verschiedenen Einkommensklassen und Nationen. Dies ist in Zürich der Fall und stellt einen zentralen Anspruch der Stadtentwicklung dar, der auch in Zukunft gewahrt oder weiter verbessert werden soll.

Leerkündigungen wegen Sanierungen oder Neubauten sind eine zunehmende Herausforderung für Domicil-Mieter:innen. Welche Instrumente hat die Stadtentwicklung, um bezahlbaren Wohnraum in Zürich zu sichern?

Die öffentliche Hand hat keine direkten Mittel, um private Mietzinsgestaltung, dazu gehört auch diejenige von Genossenschaften, zu beeinflussen. Nur auf städtischem Land können wir direkt Massnahmen umsetzen. Aber wir können Baurechtsverträge schliessen, Kapitalbeteiligungen eingehen, Darlehen zu besseren Konditionen geben, Wohnungen subventionieren und neues Bauland kaufen. Dabei kann die Stadt auch Forderungen stellen, etwa dass 30 Prozent der neuen Wohnungen subventioniert werden. Bei regulären Bauprojekten bleibt es bei der Beratung und Sensibilisierung – Instrumente, welche die Stadt meiner Meinung nach erfolgreich und oft unbemerkt einsetzt.

Können Sie sagen, wie sich der Wohnungsmarkt in Zürich in den nächsten Jahren entwickeln wird?

Kürzlich hat Wüest Partner eine Prognose publiziert, die auf schweizweit mehr Wohnbauaktivität hinweist. Der Wohnungsmarkt in der Stadt Zürich wird sicher so viel wachsen, wie er kann. In der nächsten Session der nationalen Parlamente werden baurelevante Themen wie das Umweltgesetz beraten. Wir hoffen, dass dies zu einer Deblockierung von bereits geplanten Bauvorhaben führen wird.

Sie setzen sich täglich mit Zürich auseinander – was gefällt Ihnen besonders an dieser Stadt?

Zürich bietet auf kleinstem Raum alles: See, Natur, Stadtleben, Arbeitsplätze, lebendige Gastronomie und Hochschulen. Die Lebensqualität ist aussergewöhnlich hoch – uns geht es gut. Vor 30 Jahren war Zürich noch eine andere Stadt: Hunderttausend Personen weniger wohnten hier, die Arbeitsplätze verschwanden mit dem Niedergang der Industrie aus der Stadt, es gab eine offene Drogenszene am Platzspitz, die Leute zogen aus der Stadt. Die rasche Entwicklung, die Zürich seither erlebt hat, ist den meisten Leuten nicht bewusst.